Akademische Weiterbildung (KK 28.04.2014)

Aus Positionen und Beschlüsse der SPD Stuttgart
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Adressaten

SPD Landesparteitag

Beschluss

Die grün-rote Landesregierung möge die Einrichtung einer Landesuniversität Baden-Württemberg als Netzwerkhochschule prüfen.


Begründung

Die Landesuniversität Baden-Württemberg bündelt die akademische Exzellenz des Landes, qualifiziert Fach- und Führungskräfte berufsbegleitend weiter, begünstigt die Profilbildung der baden-württembergischen Hochschulen, steigert das Renommé des Landes im In- und Ausland und kostet weniger als das bisherige, zersplitterte Angebot.

a) Eine Landesuniversität, was soll das sein? Die Landesuniversität Baden-Württemberg fungiert als institutionalisierte Plattform der berufsbegleitenden Weiterbildung, die von und an den baden-württembergischen Hochschulen realisiert wird. Wie etwa das Europäische Technologieinstitut (EIT) ist sie keine Hochschule mit eigenem Campus, sondern eine Netzwerkhochschule, die Hochschulen vernetzt. Das heißt, die Landesuniversität führt das bestehende Weiterbildungsangebot der Hochschulen in virtuellen Fakultäten zusammen und ermöglicht unter ihrem Dach die Einrichtung innovativer Angebote, die aus der Kooperation von Hochschulen hervorgehen. Prüfung und Abschluss bleiben bei den Hochschulen. Die Landesuniversität übernimmt allein die technische Organisation der Lernumgebung, die Logistik, das Inkasso usw. Fachlich ist die Landesuniversität ein internationales Kompetenzzentrum für akademische Fernstudien. Das Studium an der Landesuniversität ist inhaltlich und organisatorisch mit dem Beruf verwoben. Da im Regelfall ein Erwerbseinkommen bzw. das Interesse zahlkräftiger Unternehmen vorausgesetzt werden kann, sind Unkostenbeiträge vertretbar, die die für ein Erststudium übersteigen. Die Grundaufgaben der Landesuniversität sind so dimensioniert, dass sie sich finanzieren aus dem eingesparten Verwaltungsaufwand, den man hat, so lange jede Hochschule ihre eigenen akademischen Weiterbildungsangebote betreibt, so dass die Beiträge der Studierenden für die Landesuniversität direkt den Hochschulen bzw. ihren Studiengängen zugutekommen. Der Verwaltungsrat der Landesuniversität, dem Vertreter der Hochschulen – und je nach Beteiligung auch Vertreter von Unternehmensverbänden – angehören, entscheidet darüber, welcher Anteil der Gebühren verwendet werden soll für die Bewältigung von Aufgaben, die über die Grundaufgaben hinausgehen.

b) In welchem Umfeld operiert die Landesuniversität? Aufgrund der beschleunigten technologischen Entwicklung und, in deren Folge, des gesellschaftlichen Wandels kommt man am lebenslangen Lernen und eben auch der Weiterbildung nicht mehr vorbei. Konnte man noch vor zwei Jahrzehnten darauf bauen, dass auf die Weiterbildung ein beruflicher Aufstieg folgt, ist sie heute fast schon Voraussetzung dafür, dass man seinen Arbeitsplatz nicht verliert. Laut der Trendstudie Fernstudium 2011 versprechen sich 62% der Fernstudierenden von ihrer Weiterbildung einen beruflichen Aufstieg, 49% wollen danach mehr verdienen. 59% der Besucher einer Fachmesse waren der Überzeugung, dass eine berufsbegleitende Weiterbildung wichtig ist, und laut einer Umfrage der Commerzbank sind 47% der Erwachsenen in Deutschland bereit, ihre Freizeit in ihre berufliche Weiterbildung zu investieren, 31% würden die Kosten dafür teilweise oder sogar ganz selbst tragen. Es bestehen jedoch nicht nur die Notwendigkeit und eine große Bereitschaft zur Weiterbildung, sondern auch eine wachsende Nachfrage. Fernhochschulen verzeichnen bei den Studierendenzahlen seit Jahren ein durchschnittliches Wachstum von 7%. Über die Hälfte (83400 im WS 12/13) sind an der Fernuniversität in Hagen (NRW) eingeschrieben, 32% an privaten Fernhochschulen und 18% nehmen Fernstudienangebote von Präsenzhochschulen wahr. Insgesamt nehmen 18,3% der Fernstudierenden an einem weiterführenden Programm teil, das heißt die Studierenden haben bereits einen akademischen Abschluss. Diese Entwicklung wird katalysiert von der Umstellung auf die gestuften Abschlüsse im Zuge der Bologna-Reform. Hier gilt es zu bedenken, dass angesichts eines sich verschärfenden Arbeitsmarktes kaum ein Berufstätiger mit Bachelor-Abschluss kündigen wird, um einen Master-Abschluss zu machen. Das lässt eine weiter wachsende Nachfrage erwarten, zumal in Deutschland mit 7,9% im europaweiten Vergleich nur ein geringer Anteil der Bevölkerung Weiterbildungsangebote wahrnimmt; in Schweden sind es 32,4%.

c) Welchen Nutzen hat das Ganze? Die Landesuniversität Baden-Württemberg erlaubt es bspw. Freiburgern, ein Aufbaustudium an der Universität Stuttgart zu absolvieren, wie Konstanzer dies an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Mannheim können, und umgekehrt. Die weiterbildungswilligen Beschäftigten profitieren genauso von deren gebündelter Exzellenz wie die angeschlossenen Hochschulen. Unter dem Dach der Landesuniversität versammeln sich kooperative wie wettbewerbliche Elemente. Weiterbildungsangebote zu gleichen oder ähnlichen Themenfeldern stehen miteinander im Wettbewerb, in dem sich Hochschulen einen Vorteil verschaffen können, indem sie kooperieren und ihre Expertise in einem gemeinsam Studienangebot einbringen. Gerade dadurch, dass kooperierende Hochschulen in der Landesuniversität nicht alle Inhalte eines Studiengangs vorhalten müssen, sondern einen Paket vom jeweils Feinsten schnüren, können die Hochschulen ihr Profil fachlich schärfen, wie es der Wissenschaftsrat seit Jahren fordert. Auf dem Gebiet der Erneuerbaren Energien bspw. wäre ein Paket aus Umwelttechnik (Stuttgart), Umwelt und Natürliche Ressourcen (Freiburg), Umweltrecht (Mannheim) sowie Umweltökonomik und Nachhaltigkeit (Karlsruhe) nicht nur für potenzielle Studierende aus Baden-Württemberg äußerst reizvoll. Auch motivierte Fachkräfte aus dem Ausland könnten auf dem Weg des Fernstudiums an der Landesuniversität zu baden-württembergischen Unternehmen finden. Zumal das internationale Marketing für eine Dachorganisation wie die Landesuniversität sich effektiver betreiben lässt als für den Auftritt einzelner Hochschulen. Die Landesuniversität ist nicht zuletzt eine Einnahmequelle für die angeschlossenen Hochschulen. Gebühren für ein weiterbildendes Fernstudium lassen sich besser vertreten als bspw. Bewerbungsgebühren von Studienanfängern. Die Fernuniversität Hagen deckt mit Studiengebühren in Höhe von 12,50 Euro pro SWS rund ein Fünftel ihrer Ausgaben ab. Private Hochschulen, die teilweise monatlich zwischen 200 und 600 Euro (plus Prüfungsgebühren) verlangen, stemmen damit durchschnittlich mindestens 55% ihrer Ausgaben. Die Höhe der Gebühren wird von den Hochschulen festgelegt. Sie erhalten die Gebühren abzüglich eines Overheads, der deutlich geringer ausfällt als im Fall eines jeweils hochschuleigenen Fernstudienangebots. Mit der Landesuniversität Baden-Württemberg können sich die Hochschulen des Landes ein großes Stück vom Kuchen des nicht zuletzt aufgrund der technischen Möglichkeiten international boomenden Weiterbildungsmarktes (Moodle, MOOCs usw.) sichern.