Ende der Symbolpolitik: Klima, Umweltschutz und Energiewende sofort! (19.10.2019)
Ende der Symbolpolitik in Stuttgart: Klima + Umweltschutz und Energiewende sofort und sozial gerecht gestalten!
SPD 10-Punkte-Programm für eine ambitionierte sozialdemokratische Klimapolitik
Die Klimakrise bedroht uns alle. Unser heutiges Handeln muss darauf ausgerichtet sein, dass auch zukünftige Generationen noch in einer intakten Umwelt leben können. Gerade die nächsten Jahre werden in die Geschichte eingehen, weil wir unseren Planeten entweder ruiniert oder gerettet haben. Es ist eine globale Krise, die eine globale Antwort braucht. Das heißt jedoch nicht, dass wir nicht auch auf nationaler, Landes- und kommunaler Ebene entschieden handeln müssen, um die Klimakrise abzumildern und - im Einklang mit dem Pariser Klimaschutzabkommen - die globale Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad zu begrenzen. Die Klimapolitik der SPD muss sich durch ambitionierte Reduktion der Treibhausgas-Emissionen auszeichnen, ohne dass wir dabei jemanden zurücklassen. In unserer durch die Industrie geprägten Stadt wollen wir, dass die hier vorhandenen guten Arbeitsplätze auch bei der notwendigen Dekarbonisierung erhalten bleiben. Dafür arbeiten wir insbesondere mit den Gewerkschaften zusammen. Brüchen in Erwerbsbiografien wollen wir durch Qualifizierungs- programme und Brüchen in den Strukturen durch öffentliche Investitionen begegnen. Durch umfangreiche sozialpolitische Maßnahmen werden wir dafür sorgen, dass niemand zurückgelassen wird. Junge Menschen gehen weltweit auf die Straße und sind laut.
Am 20.09. gab es in Stuttgart einen großen Klimastreik, den wir als SPD Stuttgart unterstützt haben. Wir können die Verantwortung, Lösungen für die Klimakrise auszuarbeiten, nicht auf die junge Generation abschieben, sondern gerade wir als Partei haben die Pflicht, jetzt zu handeln. Die Stadt muss deutlich mehr tun und ein ambitioniertes Klimaschutzprogramm bis Jahresende beschließen und die einzelnen Maßnahmen sobald möglich umsetzen. Das Aktionsprogramm ist ein erster Schritt, doch es reicht noch lange nicht. Teile davon sollen die in diesem Antrag benannten Maßnahmen sein.
1. Die Energie- und Wärmewende bis in 10 Jahren umsetzen 2/3 der fossilen Energien gehen bisher in die Wärmeversorgung der Bevölkerung. Deswegen muss die Energiewende eine Wärmewende sein. In Stuttgart müssen wir daher bis zum Jahr 2030 die Wärmeversorgung von fossilen auf erneuerbare Wärme- und Energiequellen umstellen – in jedem der 23 Stadtbezirke. Dieser Umbau muss von der Kommune geplant und gesteuert werden, als zentrale Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge. Die Stadtwerke übernehmen diese Aufgabe. An den Ausführungen sollte die SWSG beteiligt werden und ihre Planungen daran orientieren. Sie werden dazu befähigt, indem sie die vorhandenen Rücklagen von 300 Tsd. Euro bei der SVS nutzen können, um die Eigenkapitalquote zu erhöhen und somit in der Lage sind 1 Mrd. Euro für ein ambitioniertes Investitionsprogramm einzubringen. Die SPD hat als Partei der kommunalen Daseinsvorsorge die Wiedergründung der Stadtwerke vorangetrieben. Um eine soziale Ausgestaltung der Maßnahmen zu ermöglichen, muss die finanzielle Ausstattung der Stadtwerke deutlich und dauerhaft ausgebaut werden.
2. Die Aufgabe, der Zeitplan und das Monitoring Wir fordern: Die Stadtwerke koordinieren und planen die Veränderungen, sie entwickeln zusammen mit den Bewohnern Quartierskonzepte in jedem Stadtbezirk. Bisher verfolgt die Stadt eine Einzelhausstrategie, ob bei den Solaranlagen oder der Gebäudesanierung. Auch im neuen Klimaschutz-Programm des OB spielen Quartierskonzepte keine zentrale Rolle. Wir sagen dagegen: jedes „weiter so“ führt zu weiterem Durchwursteln von einem Haus zum nächsten, ohne jeden Zeitplan. Wir fordern einen taffen Zeitplan: Bis in 10 Jahren bauen wir die Wärme- und Energieversor-gung in allen 23 Stadtbezirken um. Das heißt, in jedem Jahr sollen 5-6 Stadtbezirke neu in die Planung eines Quartierskonzepts aufgenommen werden. Nur mit einem solchen entschiedenen Umbau werden wir eine starke CO2-Reduzierung erreichen. Monitoring: Die im Klimaschutzprogramm angestrebten Klimaschutz-Ziele werden mit einem einheitlichen Monitoring begleitet – momentan laufen zwei Verfahren parallel.
3. Quartierskonzepte sind der Kern der Energie- und Wärmewende Warum Quartierskonzepte so zentral sind: Die alternativen Energie- und Wärmequellen, auch industrielle Abwärme, kommen vorwiegend lokal vor. Sie lassen sich nicht über lange Wege transportieren, sondern müssen lokal zusammengebracht, lokal gespeichert und lokal genutzt werden. Wenn wir also die verschiedenen erneuerbaren Quellen tatsächlich nutzen wollen – das sind Sonne, Wind, Biomasse und oberflächennahe Geothermie – dann müssen wir dafür vor Ort neue dezentrale Strukturen entwickeln. Ein Beispiel: Wir müssen in großem Umfang neue Wärmenetze aufbauen – das wird viel Geld kosten.
4. Wir machen mehr aus unseren Dächern und Fassaden Der Ausbaustand der erneuerbaren Energien in Stuttgart ist erschreckend gering. In der “Solarbundesliga”, einer Initiative zur Erfassung der Leistung aller in der Bundesrepublik erbauten Solar- und Photovoltaikanlagen, belegte Stuttgart den blamablen 31. Platz mit nur 39 Watt je Einwohner*in. Statt der geplanten vierzehn Dächer wurden im vergangenen Jahr nur zwei städtische Dächer mit Photovoltaikanlagen bestückt. Wir wollen die Ambitionen der Stadt, neue Photovoltaikanlagen zu installieren, maximieren, denn Photovoltaik und Solarthermie sind in Stuttgart die Energiequelle Nummer eins. Mittelfristig sollen auf allen öffentlichen Gebäuden mit sinnvoller Dachausrichtung Photovoltaik- oder Solarthermische Anlagen installiert werden. Dächer und Fassaden, bei denen das - beispielsweise aufgrund der Ausrichtung - nicht sinnvoll ist, wollen wir begrünen. Die Fragen, wo Begrünung oder Solaranlagen sinnvoll sind, und ob nachbarschaftliche Lösungen möglich sind, sollen mit der kommunalen Planung abgestimmt werden.
5. Wir setzen die energetische Gebäudesanierung mieterfreundlich um Durch ein umfangreiches städtisches Programm für die energetische Gebäudesanierung wollen wir die durch die Gebäude verursachten Treibhausgasemissionen in Stuttgart deutlich reduzieren. Nicht nur der Neubau, sondern vor allem der Gebäudebestand muss energetisch saniert werden. Vermieter*innen sollen eine Förderung erhalten (Zugriff auf eine Förderung von der Stadt bekommen), sofern sie die Sanierung möglichst warmmietenneutral durchführen. Die Förderung sollte an eine Höchstzahl an Vermietungen gebunden sein. Auch bei dieser Förderung sollte nicht von einem Einzelhaus zum nächsten vorgegangen werden, sondern sollen quartiersbezogene Gesichtspunkte einbezogen werden. Das jetzt vom OB vorgelegt Budget für Fördermaßnahmen von zehn Mio. Euro ist eindeutig zu wenig.
6. Ökologische Mobilität für alle Die Emissionen im Verkehrssektor wollen wir insbesondere dadurch senken, dass in Zukunft mehr Menschen den ÖPNV anstelle des Autos nutzen. Dafür muss der ÖPNV attraktiv, günstig und zuverlässig sein. Dafür wollen wir ein 365€-Ticket für das gesamte VVS Gebiet einführen und gleichzeitig die Kapazitäten des ÖPNVs massiv ausbauen. Zur Finanzierung möchten wir maßgeblich Arbeitgeber beteiligen, ggf. in Form einer Nahverkehrsabgabe. Zudem muss die Stadt sicherstellen, dass Fahrradfahrer*innen und Fußgänger*innen gleichermaßen gut und sicher in der Stadt unterwegs sein können, da diese beiden Fortbewegungsoptionen die klimafreundlichsten sind. Parallel zur Förderung des Ausbaus des ÖPNVs unterstützen wir den Aufbau von Schnellladestationen für E- Autos im Stadtgebiet & der Region. Übergeordnetes Ziel bleibt dabei aber die Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs.
Wir wollen, dass die vor fast zwei Jahren beschlossene autofreie City ohne oberirdische Parkflächen endlich umgesetzt wird. Damit schaffen wir nicht nur bessere Luft- sondern auch mehr Lebens- und Aufenthaltsqualität in der Stadt. Die freiwerdenden Flächen können begrünt werden - die City kann von den Fußgänger*innen zurückerobert werden.
7. Nachhaltige Autoindustrie in Stuttgart basierend auf E-Mobilität und Wasserstoff Die Automobilindustrie nehmen wir in die Pflicht, ihr Geschäftsmodell nachhaltig zu transformieren. Dabei steht für uns außer Zweifel, dass hierfür neue, emissionsfreie Technologien notwendig sind, die im Einklang mit unseren Klimaschutzzielen stehen. Insbesondere die Elektromobilität und die Brennstoffzellentechnologie muss von den Stuttgarter Automobilunternehmen vorangetrieben werden. Wir setzen uns dafür ein, dass die Wertschöpfung weiterhin in Stuttgart bleibt. Die Gewerkschaften möchten wir in ihrem Kampf unterstützen, dass die Transformation der Automobilindustrie nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird. Arbeitnehmer*innen, die bislang vor allem in Bereichen arbeiten, die lediglich für den Verbrennungsmotor benötigt werden, müssen so weiterqualifiziert werden, dass sie den neuen Herausforderungen in der Arbeitswelt gewachsen sind.
8. Grüne Infrastruktur Nichts kann den Klimawandel so effektiv bekämpfen wie Aufforstung. Laut einer Studie der Technischen Hochschule Zürich haben Bäume das Potenzial, bis zu 2/3 des bislang von Menschen verursachten CO2 aufzunehmen. Daher muss der Wald geschützt, gestärkt & erweitert werden.
9. Mit Interessenkonflikten proaktiv umgehen – ein Beispiel: der Max-Eyth-See Zum wiederholten Mal in den letzten Jahren ist der Max-Eyth-See gekippt. Mit ca. 50.000 toten Fischen wurde eine Grenze überschritten, die zum Handeln zwingt. Und dies, obwohl der Max-Eyth-See ein Naherholungsgebiet auch für Menschen ist, die keinen Garten, keinen Balkon und keinen Swimmingpool haben – also gerade für Menschen mit kleinem Geldbeute. Diese Naherholungsgebiete müssen wir für alle Stuttgarter*innen erhalten. Wir betrachten den Konflikt als exemplarisch für Konflikte zwischen verschiedenen Zielen und Gruppen: die Lösung sehen wir generell in mehr Bürgerbeteiligung, um verschiedene Interessen zu berücksichtigen, und konkret für Nutzungskonzepte wie hier.
10. Lebensmittelverschwendung In Deutschland werden laut WWF jährlich mehr als 11 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeschmissen, laut einer Studie der Universität Stuttgart von 2012 geht dies zu 61% auf das Konto von privaten Haushalten. Wir fordern eine Informationskampagne zu Lebensmittelverschwendung. Die Stadt soll außerdem prüfen, wie das Aufstellen von Foodsharing Kühlschränken unterstützt/vorangetrieben werden kann. Zudem unterstützen wir Initiativen wie das Café Raupe Immersatt, das erste Foodsharing Café Deutschlands.