Die Aufgaben der Stadtwerke Stuttgart in der Energiewende (KK 21.05.2012)

Aus Positionen und Beschlüsse der SPD Stuttgart
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Beschluss der Kreiskonferenz

Die Aufgaben der Stadtwerke Stuttgart in der Energiewende

Die von allen Parteien als Folge der Katastrophe von Fukushima beschlossene Energiewende bringt tiefgreifende Veränderungen der bisherigen Versorgungsstrukturen mit sich. Kohle, Öl, Gas und Uran werden schrittweise durch regenerative Energieträger ersetzt. Die bisherigen zentralen Strukturen bei der Energieerzeugung werden zu einem großen Teil durch dezentrale Erzeugung ergänzt und ersetzt. Die Stromtransportnetze und die Verteilnetze müssen sich dadurch neuen Anforderungen stellen.

Durch diese Veränderungen verlieren die vier großen EVU ihre bisherige Monopolstellung in der Stromerzeugung und es wird eine stärkere regionale Versorgung etabliert. Stadtwerke spielen in der Zukunft nicht nur in der Energieverteilung sondern auch in der Stromerzeugung und der Wärmeversorgung eine bedeutende Rolle. Sie investieren in regenerative Energieerzeugungsanlagen und in hocheffiziente Kraftwärmekopplung (KWK). Sie betreiben Netze und organisieren die Verteilung von Wärme und Strom.

Stadtwerke sind schon heute Vorreiter beim Ausbau der KWK. Diese kombinierte Erzeugung von Wärme und Strom ist eine wichtige Brückentechnologie. Ein verstärkt geförderter zügiger Ausbau der KWK kann daher in bedeutendem Ausmaß den Zubau unweltschädlicher Kohlekraftwerke ersetzen und ist damit ein wichtiger Baustein einer umweltgerechten Energiewende.

Die Stuttgarter Stadtwerke werden alle Bereiche abdecken, d.h. sie erzeugen Strom und Wärme zu einem erheblichen Teil regional, betreiben die Verteilnetze in eigener Verantwortung und bieten den Bürgerinnen und Bürgern als vertrauenswürdiger Anbieter von Strom und Gas die Möglichkeit einer umweltfreundlichen Energieversorgung. Bei der Energieerzeugung wird die regionale KWK eine zentrale Stellung einnehmen.

Die Geschäftspolitik der Stadtwerke Stuttgart wird durch die Interessen der Landeshauptstadt Stuttgart, der Haushalts-, Gewerbe- und Industriekunden bestimmt. Sie ist von den Interessen der großen EVU und ihrer Aktionäre unabhängig. Die Gewinne der Stadtwerke werden auch zur Unterstützung des ÖPNV und anderer gemeinwohlorientierter städtischer Einrichtungen genutzt werden. Die Position der Stuttgarter SPD befindet sich damit in voller Übereinstimmung mit dem Koalitionsvertrag der Grün-Roten Landesregierung. Dieser bekennt sich klar zur Unterstützung von Stadtwerken und zu einem fairen Wettbewerb um die Konzessionen. Die Stadtwerke Stuttgart werden eines der großen Stadtwerke in Baden-Württemberg und Deutschland sein.

Wir müssen jetzt die Weichen richtig stellen

Die Konzessionen für die Strom- und Gasnetze und für die Fernwärme müssen in einem transparenten und diskriminierungsfreien Wettbewerb vergeben werden. Im Wettbewerb werden die qualifizierten Bieter ihre Vorschläge entwickeln. Für die Gestaltung der Netzgesellschaft sind unterschiedliche Modelle möglich, z.B. Stadtwerk als Alleinbetreiber, Kooperations-, Verpachtungs-, oder Betriebsführungsmodelle.

Vor Entscheidungen des Gemeinderats sind vollständige Informationen zu den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen vorzulegen:

  • Für die Strompreise der Haushalts-, Gewerbe- und Industriekunden in Stuttgart können die Netznutzungsentgelte von erheblicher Bedeutung sein. Diese können je nach Stadtwerkemodell unterschiedlich sein. Bisher wurde diese wichtige Frage trotz zahlreicher Gutachten noch nicht untersucht.
  • Vor der Auswahl eines Kooperationspartners aus dem Kreis der Bewerber muss klar sein, mit wem sich die Stadt als Gesellschafter oder Vertragspartner einlässt. Es gehört zu den Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns, dass sich die Gemeinderäte von allen Bewerbern vollständige Informationen über ihre aktuelle und zukünftige wirtschaftliche und rechtliche Situation vorlegen lassen. Dies gilt auch für den bisherigen Konzessionär als möglichen Partner.
  • Die Arbeitnehmer des Netzbetriebs im Regionalzentrum Stuttgart der EnBW Regional AG (REG) gehen ganz oder teilweise in die Stadtwerke Stuttgart über, wenn sie dem Übergang nicht widersprechen. Der Betriebsrat, die Gewerkschaft ver.di, die REG aber auch die Stadtwerke Stuttgart sind gefordert, eine sozialverträgliche, zukunftssichernde und an den wirtschaftlichen Gegebenheiten orientierte Übergangsregelung zu verhandeln.

Für alle diese Fragen muss durch den Gemeinderat externe Expertise eingeholt werden, damit er eine Basis für die Festlegung der Vergabekriterien hat.

Die Rahmenbedingungen des jetzt beginnenden Vergabeverfahrens sind durch das EnWG (Energiewirtschaftsgesetz) festgelegt. Die Ausgestaltung des Verfahrens und die Festlegung der Vergabekriterien obliegen dem Gemeinderat. Diese Möglichkeiten sind von Gemeinderat strikt am Interesse der Bürgerinnen und Bürger Stuttgarts, der Kunden, also der Stuttgarter Haushalte, der Unternehmen, sowie dem erklärten Willen der Landeshauptstadt Stuttgart, einer möglichst umweltfreundlichen Energieversorgung zu orientieren.

Die Stuttgarter SPD hat hinsichtlich der Ausgestaltung der Stadtwerke konkrete politische Vorstellungen:

  • An dem Vergabeverfahren werden die Bürger und Organisationen der Zivilgesellschaft aktiv beteiligt. Dabei soll das Anliegen des „Bürgerbegehrens Stadtwerke“ im Rahmen des rechtlich möglichen in die Entscheidungen der Stadt einfließen. Dies gilt für das Verfahren zur Vergabe der Konzessionen. Dies gilt auch für die Auswahl eines möglichen Partners der Stadtwerke zum Betrieb der Netze. In der Bürgerschaft sind hohe Kompetenzen vorhanden. Wir wollen diese Gruppen an der Gestaltung der Stadtwerke aktiv beteiligen.
  • Die Stuttgarter SPD hält den Ausbau der Kraftwärmekopplung für eine zentrale Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende. Die Kraftwärmekopplung soll daher einen wichtigen Anteil an der Energieversorgung der Stadt über-nehmen. In den Gesellschaftsvertrag der Stadtwerke wird daher als Unternehmenszweck die Kraftwärmekopplung als wichtiges Betätigungsfeld aufgenommen.
  • Die Stuttgarter SPD tritt dafür ein, dass die Landeshauptstadt bzw. ihre Gesellschaft das Eigentum an den Strom- und Gasnetzen sowie an der Stuttgarter Wasserversorgung erwirbt. Der Kauf der Netze durch die Stadtwerke muss auf Basis des Ertragswerts erfolgen. Es kann nicht zugelassen werden, dass die Bürger durch den Verkauf der Wasserversorgung im Jahr 2002 in Zukunft mit höheren Wassergebühren belastet werden. Wir begrüßen, dass die Stadt eine eventuelle Preiserhöhung durch die EnBW durch das Kartellamt überprüfen lassen will.
  • Ziel der SPD ist es, die Geschäftspolitik der Stadtwerke an den kommunalen Interessen auszurichten. Eine Verpachtung der Strom- und Gasnetze lehnen wir daher ab. Für den Betrieb der Netze streben wir eine eigenständige 100 % kommunale Lösung an. Eine Beteiligung Dritter an der Netzgesellschaft akzeptieren wir nur, wenn anders eine Vergabe der Konzession an die Stadtwerke nicht möglich sein sollte. Einer solchen kooperativen Lösung stimmen wir nur zu, wenn eine zukünftige vollständige Übernahme der Gesellschaft zu akzeptablen Konditionen ermöglicht wird.
  • Für die Stadtwerke Stuttgart soll die Option „Übernahme der Fernwärme“ und einzelner Anlagen (Gaisburg und Münster) offen gehalten werden. Gelingt eine Übernahme der Fernwärmenetze im Rahmen des laufenden Vergabeverfahrens nicht, so kann diese Option z.B. durch die Harmonisierung der Laufzeit des bestehenden Müllverbrennungsvertrags mit dem Konzessionsvertrag für die Wärmeversorgung bzw. das Wärmenetz und eine Begrenzung der Laufzeit auf z.B. 10 Jahre offen gehalten werden. Entsprechende Endschaftsklauseln sind im neuen Konzessionsvertrag ebenso aufzunehmen, wie das Recht, dezentral erzeugte Wärme (Nahwärme) in das bestehende Wärmenetz einzuspeisen.
  • Die Stuttgarter SPD steht für den Erhalt und die Sicherung der Arbeitsplätze sowie der Einkommen der in diesem Bereich beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Wie viele Städte auch in Baden-Württemberg seit langem zeigen, ist ein integriertes Stadtwerk in kommunaler Hand in der Lage, einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende zu leisten und zugleich Gewinne zu erwirtschaften. Diese Gewinne sind bei der heutigen Finanzausstattung der Städte erforderlich, um wichtige öffentliche Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge, wie z. B. die betrieblichen Verluste aus dem Betrieb der SSB oder ggfls. auch der öffentlichen Bäder finanzieren zu können. Erfolgreiche Stadtwerke werden spürbar zur Entlastung des städtischen Haushalts beitragen.

Mit der Rückübertragung der Wasserversorgung auf die Stadt und dem Aufbau neuer Stadtwerke in Stuttgart gewinnt die Landeshauptstadt eine wesentliche Gestaltungsaufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge zurück. Dies entspricht dem Ziel, das sich die Stuttgarter SPD bereits bei den letzten Kommunalwahlen gesetzt hat. SPD-Kreisverband und SPD-Gemeinderatsfraktion werden die Vollendung dieser Zielsetzung konsequent verfolgen.