Ein vereinigtes und soziales Europa (KK 21.05.2012): Unterschied zwischen den Versionen

Aus Positionen und Beschlüsse der SPD Stuttgart
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SozialdemokratInnen uns auf den Weg zu den Vereinigten Staaten von Europa!
 
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Aktuelle Version vom 4. Juni 2012, 08:39 Uhr

Adressaten

SPD Landesparteitag, SPD-Bundesvorstand, SPD-Bundestagsfraktion, SPD-Abgeordnete der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament

Beschluss der Kreiskonferenz

Ein vereinigtes und soziales Europa

Die Idee der Vereinigten Staaten von Europa ist eine ur-sozialdemokratische Idee. Sie ist verankert im Heidelberger Programm von 1925 und seitdem Leitbild sozialdemokratischer Europapolitik. Die zunehmenden wirtschaftlichen und finanzpolitischen Verflechtungen, die in ihren Konsequenzen im krassen Gegensatz zu den Interessen der Arbeiterschaft und ihrem Streben nach sozialer Sicherheit und internationaler Solidarität standen, führten zu der Forderung eines „wahren Bundes gleichberechtigter Völker“. Auch die Staatsoberhäupter der Gründerstaaten haben sich 1957 bei der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) als Vorgängerorganisation der heutigen EU, unmissverständlich dazu bekannt „die stetige Besserung der Lebens- und Beschäftigungsbedingungen ihrer Völker als wesentliches Ziel anzustreben, […] ihre Volkswirtschaften zu einigen und deren harmonische Entwicklung zu fördern, indem sie den Abstand zwischen einzelnen Gebieten und den Rückstand weniger begünstigter Gebiete verringern […].“ Der Einzug der neoliberalen Ideologie führte in der EU jedoch zu weitreichenden negativen ökonomischen und sozialen Folgen: Sinkende Löhne, auseinanderdriftende Einkommen, eine Vertiefung der Kluft zwischen Arm und Reich, zunehmend prekäre Beschäftigungsverhältnisse, sinkende Sozialleistungen, sowie eine allgemeine Umverteilung zu Gunsten von großen Unternehmen, BezieherInnen hoher Einkommen und KapitaleignerInnen sind nicht allein ein deutsches Phänomen, sondern ein Problem aller EU-Mitgliedsstaaten.

Wir SozialdemokratInnen glauben an die Idee der Vereinigten Staaten von Europa. Wir wollen ein Europa der gelebten Solidarität und des Zusammenhalts. Unsere Ziele können wir jedoch nur erreichen, wenn wir weitreichende Kompetenzen auf die europäische Ebene verlagern und die heutige EU zu einer vollständig demokratisierten, politischen Union umbauen.

Krise der Demokratie in Europa?

Demokratie kann auf vielfältige Weise in Gefahr geraten, z.B. durch ein faktisches Übergewicht eines politischen Verfassungsorgans, Kompetenzverlust politischer Institutionen oder Kompetenzverschiebungen auf undemokratischere Ebenen oder Institutionen. Auf europäischer Ebene herrschen ein politisches Übergewicht des Europäischen Rats, eine nicht direkt demokratisch legitimierte Kommission und ein stark in seinen Rechten beschnittenes Parlament, welches aber als einzige Europäische Institution direkt von den BürgerInnen legitimiert ist.

Sozialdemokratische (Europa-) PolitikerInnen geraten bei EU-Vertragsentscheidungen oder Vertragsänderungen - also der Gelegenheit eine Vertiefung der demokratischen Entwicklung zu erwirken - immer wieder in eine Zwickmühle: Auf der einen Seite möchten sie den europäischen Integrationsprozess vorantreiben, auf der anderen Seite bringt eine weitere Kompetenzübertragung auf die EU de facto eine schleichende Entdemokratisierung mit sich. Das beruht auf dem Umstand, dass der Kompetenz- übertragung eben z.B. keine vollen parlamentarischen Rechte des EU-Parlaments folgen. Da die Verträge für die ParlamentarierInnen in den Parlamenten der Mitgliedsstaaten aber nicht mehr veränderbar sind nachdem sie von den Regierungseliten im Europäischen Rat ausgehandelt wurden, bleibt nur die Entscheidung zwischen einem “Ja” oder einem “Nein”. Ein “Nein” würde aber nicht als ein Kampf für die Schaffung einer parlamentarischen Demokratie in Europa, sondern als antieuropäische Haltung ausgelegt werden.

Ein aktuelles Beispiel für die schleichende Entdemokratisierung auf EU-Ebene stellen die Eckpunkte des Fiskalpakts dar. Der Fiskalpakt sieht die Einführung eines „EuroGipfels“ als neue Institution vor. Dieser Eurogipfel soll parallel zu den bestehenden EUInstitutionen stattfinden und schafft, ohne eine Änderung der EU-Verträge, ein neues und mächtiges Gremium, in dem multilaterale Beschlüsse in der Haushalt- und Wirtschaftspolitik beschlossen werden sollen, obwohl diese eigentlich eine Angelegenheit der EU-Institutionen wären. Das Europäische Parlament spielt in diesem neuen Vorhaben keine Rolle. Unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten ist diese Entwicklung sehr bedenklich, da sie demokratischen EU-Institutionen Kompetenzen abspricht und ihnen sogar die Mitwirkungsrechte verwehrt. Europapolitische Entscheidungen werden immer mehr zu Entscheidungen in kleinen Kreisen, auf die es kaum noch einen demokratische Kontrolle, geschweige denn Transparenz in der Entscheidungsfindung gibt. Zusätzlich erleben wir vor allem in Abstimmungsprozessen dieser Entscheidungen in nationalen Parlamenten einen schleichenden Verfall des Demokratiebewusstseins. Merkels Handlungsmaxime rund um den Euro-Rettungsschirm lautete: nur noch so viel Demokratie wie nötig, um sie formal nicht aufzukündigen. So beurteilte das Bundesverfassungsgericht den Rettungsschirm zwar als verfassungsgerecht, nicht aber die damit verbundene Praxis der Beschneidung der Rechte des Bundestags. Merkel selbst betrachtete die Einbeziehung des Haushaltsausschusses als zu langwierig und umständlich und degradierte damit demokratische Prozesse als nicht funktionales, unsachgemäßes Handeln. Diese Entwicklungen sind bedenklich, denn sie beruhen auf dem Glauben, dass demokratische Entscheidungen z.B. nicht mit der Geschwindigkeit der Märkte mithalten können und deshalb aufgegeben werden müssen.

Der prinzipielle Institutionsaufbau der EU und die aktuellen Ereignisse um die EuroRettung machen das Demokratiedefizit der EU unübersehbar. Spätestens wenn die demokratische Selbstbestimmung der EU-Institutionen und die der Parlamente ihrer Mitgliedsstaaten wie in den vergangenen Monaten mehrfach außer Kraft gesetzt werden, wird es für uns SozialdemokratInnen Zeit, unser Bekenntnis zu einem vereinigten, demokratischen und sozialen Europa zu erneuern.

Ein vereinigtes und demokratisches Europa

“Ich will die Straße nach den Vereinigten Staaten von Europa gehen […]. Die Vereinigten Staaten von Europa sind ein so hohes, so großes, sie sind das wichtigste Ziel der Gegenwart, daß wir uns auch durch Kinderkrankheiten, durch Geburtswehen […] nicht abhalten lassen wollen, diesem großen Ziel all unsere Kräfte zu weihen.“ (Paul Löbe).

Die Sozialdemokratie als „europäische Partei“ sollte nicht nur an der “Idee” der Vereinigten Staaten von Europa festhalten, sondern benennen was sie unter dieser Vision versteht: Wir SozialdemokratInnen bekennen uns zu einem Europa als föderalem Bundesstaat. Wir fordern die Schaffung einer parlamentarisch verantwortlichen Regierung auf Grundlage einer gemeinsamen europäischen Verfassung. Die Rolle des Europäischen Parlamentes muss massiv gestärkt werden und ein Initiativrecht, sowie ein vollständiges Haushaltsrecht bekommen. Die Europäische Kommission soll eine durch das Parlament vorgeschlagene, gewählte und abrufbare EU-Regierung werden, die dem Parlament gegenüber verantwortlich ist. Wir lehnen uns dabei an das Konzept des Positiven Parlamentarismus an, welches vorsieht, dass nicht nur der/die EURegierungschefIn, sondern auch alle MinisterInnen vom Parlament gewählt und abrufbar sein müssen. Die Wählerinnen und Wähler sollen zukünftig wissen, welche(n) potentielle(n) EU-RegierungschefIn sie mit ihrer Stimmabgabe für eine Partei unterstützen. Der/Die europäische RegierungschefIn soll zugleich auch noch die Funktion des/der RatspräsidentIn einnehmen und so die Schnittstelle zwischen den nationalen Staats- und RegierungschefInnen und dem Europäischen Parlament bilden.

Wir glauben, dass wir ein Mehr an Demokratie und ein Mehr an Parlamentarismus im europäischen Institutionsgefüge brauchen. Da das Europäische Parlament das einzige Organ ist, welches die BürgerInnen in einer direkten Wahl bestimmen können, ist eine umfassende Aufwertung der Rolle des Parlamentes unvermeidlich.

Der Europäische Rat soll weiterhin die Funktion als Koordinierung zwischen den föderalen Parlamenten auf nationaler oder regionaler Ebene bilden. Um eine Schwächung der EU-Gemeinschaftsorgane zu vermeiden, müssen die Formen des intergouvernementalen Regierens in definierten Grenzen gehalten werden. Der Europäische Rat erhält zu diesem Zweck ein Vorschlagsrecht für Gesetzesinitiativen im Europäischen Parlament. Entscheidungen im Europäischen Rat bedürfen aber der Zustimmung des Europäischen Parlaments und/oder den föderalen Parlamenten auf nationaler Ebene. Beschlüsse im Europäischen Rat sollen mit dem Prinzip der Mehrheitsentscheidung gefasst werden. Erst ein demokratischer Aufbau der Organe der EU sind die Grundlage für weitere Kompetenzverschiebungen auf die Ebene der Europäischen Union und holen endlich nach was schon lange hätte geschehen sollen: die Beseitigung des demokratischen Defizits der EU. Gleichzeitig lässt sich nicht leugnen, dass die heutige Europäische Union auf ein einseitiges Wirtschaftsprinzip ausgerichtet ist. Daran kann auch eine demokratische Neukonzeption der Organe der EU nichts ändern.

Für ein soziales und gerechtes Europa

Wir SozialdemokratInnen sind davon überzeugt, dass unser Ziel der Vereinigten Staaten von Europa nur über die vollständige soziale Integration und eine veränderte Wirtschaftspolitik führen kann. Eine wirklich soziale und solidarische EU muss ihr Fundament in einer sozialen Werteordnung mit starken sozialen Grundrechten haben. Diese sozialen Werte und Grundrechte müssen den Marktfreiheiten im europäischen Binnenmarkt voran gehen. Um diese im europäischen Primärrecht festzuschreiben fordern wir eine soziale Fortschrittsklausel.

Wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt etablieren

Im Zuge der Vollendung des einheitlichen Europäischen Binnenmarktes wurden die Systeme einer freien, marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung und einer Geldpolitik in europäischer Kompetenz, von den bei den Mitgliedsstaaten verbliebenen steuer-, lohn- und sozialpolitischen Zuständigkeiten abgekoppelt. Dies führte zu einem zwischenstaatlichen Dumping-Standortwettbewerb um Investitionen auf Grundlage von sinkenden Löhnen, Sozialleistungen und Unternehmenssteuern.

Das Vertrauen und die Akzeptanz in die „Idee Europa“ wurden durch diese Entwicklung der Entstaatlichung mit all ihren negativen Folgen für die BürgerInnen Europas nachhaltig gestört. Der Weg der Europäischen Integration muss daher ein Weg sein, der einer vollständigen sozialen Integration denselben Stellenwert wie der wirtschaftlichen Integration beimisst und dem Primat der freien Märkte eine solidarische Politik des sozialen und wirtschaftlichen Ausgleichs entgegensetzt.

Wir SozialdemokratInnen stehen für ein Europa der gleichwertigen Beschäftigungs- und Lebensverhältnisse mit Wachstums- und Wohlstandsperspektiven für alle BürgerInnen. Dies können wir allerdings nur mit einer echten Europäischen Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik verwirklichen, die – wie es die SPD bereits im Berliner Programm formuliert hatte – das Ziel verfolgt die Wirtschaftspolitik der EU-Mitglieder zu harmonisieren, regionale Ungleichgewichte abzubauen, einen wirksamen Finanzausgleich zwischen Reichen und Armen zu leisten und der Sozialpolitik den gleichen Rang wie der Wirtschaftspolitik zu geben.

Für eine koordinierte, gemeinschaftliche Wirtschaftspolitik

Die nicht aufeinander abgestimmte Geld- und Fiskalpolitik innerhalb der Europäischen Union hat einen zwischenstaatlichen Konkurrenzkampf um die niedrigsten Löhne und Sozialleistungen ausgelöst. Die entscheidenden Ursachen für die Etablierung dieser neoliberalen Europäischen Wirtschaftsordnung sind dabei in der einseitig auf das Ziel der Preisniveaustabilität ausgerichteten Geldpolitik der EZB sowie einer dem sogenannten Stabilitäts- und Wachstumspakt unterworfenen, nationalen Fiskalpolitik zu finden. Eine koordinierende Stelle, beispielsweise eine Europäischen Wirtschaftsregierung, fehlt in diesem Konstrukt.

Das gegenwärtige System der Wirtschafts- und Währungsunion mit Europäischer Geldpolitik nebst nationaler Fiskalpolitik, lässt zu Gunsten ausgeglichener Haushalte keinen Raum für eine an den ökonomischen Rahmenbedingungen ausgerichtete, integrierte und aktive Konjunkturpolitik. Gemeinschaftliche, antizyklische Ansätze als Reaktion auf Konjunkturkrisen bedürfen aber einer zielgerichtete Kombination von Geld- und Fiskalpolitik, sowie einer Europäischen Wirtschaftsregierung, die die jeweiligen konjunkturellen Verhältnisse in den Gebieten der Union berücksichtigt, anstatt die Haushaltskonsolidierung zum heiligen Gral zu erheben.

Die Reform der Wirtschafts- und Währungsunion muss daher die Erweiterung des Zielkatalogs der EZB um die Ziele eines angemessenen Wirtschaftswachstums und der (Voll-) Beschäftigung sowie die Koordination zwischen Geld-, Fiskal- und Lohnpolitik umfassen. Hierzu sind weitreichende Kompetenzverlagerungen auf die Ebene der Europäischen Institutionen, insbesondere das Parlament, notwendig. Erst hierdurch wird der ernsthafte Willen zum Aufbau einer echten integrierten Europäischen Wirtschaftsregierung dokumentiert, die mittelfristig samt Zugriff auf Europäische Steuereinnahmen, unter Budgethoheit des Europäischen Parlaments, eine koordinierte Europäische Konjunkturpolitik betreiben kann und eine gleichrangige Position neben der EZB einnimmt.

Ein neuer Sozialpakt für Europa

Wir wollen eine echte Union, die Vereinigten Staaten von Europa, in denen das Niveau der sozialen Sicherung nicht vom ökonomischen Stand nach unten abgekoppelt werden kann. Stattdessen setzen wir auf verbindliche sozialstaatliche Mindeststandards, die sich an der relativen Höhe der Netto-Ausgaben für definierte sozialpolitische Systeme messen lassen. Bei der Festlegung der Höhe ist Rücksicht auf den jeweiligen ökonomischen Entwicklungsstand der einzelnen Unions-Gebiete zu nehmen, so dass insbesondere für einkommensschwächere Gebiete eine Überforderung im angestrebten Konvergenzprozess vermieden wird. Zugleich führt steigende Wirtschaftskraft automatisch auch zu höheren Sozialausgaben im laufenden Angleichungsprozess. In jedem Fall dürfen diese Ausgaben bestimmte Schwellenwerte nicht unterschreiten, um zu unterbinden, dass auf Kosten der sozialen Sicherheit Wettbewerbsvorteile im regionalen Wettbewerb erkauft werden. Hierzu sind geeignete Sanktionsmechanismen zu etablieren. Auf diesem Weg möchten wir die sozialen Sicherungsniveaus innerhalb der Union auf mittlere Sicht sowohl relativ als auch in ihrer absoluten Höhe angleichen. Dass diese Entwicklungsschritte dringend nötig sind zeigen die sozialpolitischen Entwicklungen der vergangenen Jahre. Die nationalen Sozialsysteme wurden nachhaltig zu Lasten der Bedürftigen geschwächt. Die Absicherungsniveaus im Falle von Krankheit, Arbeitslosigkeit und bei Renteneintritt sind im Zuge dessen z.T. dramatisch zurückgegangen, mit drastischen Folgen, beispielsweise in Form von zunehmender Altersarmut in der gesamten Union. Dabei ist keineswegs zu wenig Geld vorhanden um die Systeme auf hohem Niveau aufrecht zu erhalten und weiter auszubauen. Vielmehr war es auch der forcierte innereuropäische Staatenwettbewerb, der zur Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Sozialleistungsniveaus geführt hat: Die Ausgaben für die soziale Wohlfahrt sind auf der Strecke geblieben, während die Inlandsprodukte der Staaten weiter anstiegen. Für uns SozialdemokratInnen muss das innereuropäische Sozialleistungs-Dumping aus Gründen einer zerstörerischen Wettbewerbslogik zwischen Staaten, die sich – zumindest auf dem Papier – eigentlich der Etablierung einer politischen, wirtschaftlichen und sozialen Union verschrieben haben, gestoppt werden. Ansonsten führen sich die politisch formulierten Ziele einer weiteren Europäischen Integration ad absurdum.

Wirtschaftliche Ungleichgewichte zwischen den Regionen ausgleichen - Langfristigen Finanzausgleich etablieren

Politische Fehlentscheidungen, das Fehlen eines funktionierenden Steuervollzugs oder unzureichend ausgestattete Verwaltungsstrukturen traten nicht zuletzt in Griechenland zu Tage. Wir sitzen aber nicht dem Irrglauben auf, dass sie die originären Ursachen der ökonomischen Probleme ärmerer Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind, sondern diese verstärken. Vielmehr waren und sind es historische, politische und sozio- ökonomische Umstände in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum, die zwangsläufig zu unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungen führen. Dies gilt im kleinen Maßstab für die Deutschen Bundesländer wie im großen Maßstab für die Staaten unter dem Dach der EU.

Gerade mit der Einführung des Euro haben wir erlebt, wie sich die Leistungsbilanzunterschiede zwischen den ökonomischen Machtzentren und den ökonomischen „Rändern“ der EU im Süden massiv verstärkt haben, anstatt diese – wie in den EUVerträgen und von der Europäischen Regionalpolitik angestrebt – auszugleichen. Während beispielsweise Deutschland im Zuge sinkender Lohnstückkosten seit einem guten Jahrzehnt immense Leistungsbilanzüberschüsse verzeichnet, steigen die Leistungsbilanzdefizite anderer Länder, die mit Einführung der Gemeinschaftswährung nicht mehr durch Auf- oder Abwertungen ihrer nationalen Währungen auf die Ungleichgewichte in der Lohnstückkostentwicklung reagieren können. Dies führt zu nachhaltigen Spannungen zwischen den wirtschaftlichen Machtzentren und den wirtschaftlich abgehängten Regionen der Union und zu einer Gefährdung des Europäischen Projekts. Wir SozialdemokratInnen lehnen dieses System des innereuropäischen Staatenwettbewerbs ab und setzen das Solidarprinzip und die Gewährleistung wirtschaftlicher Handlungsfähigkeit Aller entgegen! Helmut Schmidt hat Recht, wenn er sagt: „Alle unsere Überschüsse sind in Wirklichkeit die Defizite der anderen. Die Forderungen, die wir an andere haben, sind deren Schulden. Es handelt sich um eine ärgerliche Verletzung des einstmals von uns zum gesetzlichen Ideal erhobenen außenwirtschaftlichen Gleichgewichts.“

Um Unterschiede auszugleichen, fordern wir zum einem die Erweiterung der Europäischen Regionalpolitik um einen dauerhaft angelegten Transfermechanismus, ohne den, insbesondere die Europäische Währungsunion, als eine föderative Gemeinschaft mittelfristig nicht stabil existieren kann. Dies allein greift aber zu kurz. Vielmehr müssen zum anderen außenwirtschaftliche Ungleichgewichte durch festgeschriebene Ober- und Untergrenzen der Leistungsbilanzsalden begrenzt werden und durch Sanktionsmechanismen und Eingriffe in die nationalen Haushalte flankiert werden. Darüber hinaus streben wir kurzfristig – am nationalen Durchschnittslohn gemessen – einheitliche und Existenz sichernde Mindestlöhne und auf mittlere Frist eine koordinierte Tarifpolitik an, um verzerrte Wettbewerbsverhältnisse zwischen den Regionen zu verhindern.

Unser Europa: In Vielfalt geeint

In Europas Regionen leben heute 500 Millionen Menschen aus 27 Ländern, über drei Zeitzonen hinweg. Vom Nordkap bis an die Grenzen Afrikas, vom Atlantik über die Grenzen des ehemaligen Eisernen Vorhang bis hin ans Schwarze Meer. Dieses Europa verkörpert für uns SozialdemokratInnen ein großes Friedensprojekt und das Streben nach einer friedlichen, freien und gerechten Gesellschaft, in der Sprache und Herkunft als bereichernde Vielfalt und nicht als Trennendes verstanden werden, in der nationale Barrieren in den Hintergrund rücken und echte Teilhabe für alle Menschen verwirklicht werden kann. In Vielfalt geeint – getreu dem Motto der Europäischen Union machen wir SozialdemokratInnen uns auf den Weg zu den Vereinigten Staaten von Europa!