Arbeitsrecht in kirchlichen Betrieben (KK 07.12.2009)

Aus Positionen und Beschlüsse der SPD Stuttgart
Version vom 11. Juni 2012, 14:29 Uhr von Spdadmin (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu: Navigation, Suche

Adressat

SPD-Bundestagsfraktion


Beschluss der Kreiskonferenz

Die SPD möge prüfen, ob das kirchliche Selbstbestimmungsrecht in den kirchlichen Teilen Caritas bzw. Diakonisches Werk besonders im Hinblick auf das Arbeitsrecht noch sinn- und zeitgemäß ist.


Begründung

Zusammen sind Caritas / Diakonisches Werk nach dem Staat der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutsch­land. Die als Teil der römisch-katholischen bzw. evangelischen Kirche dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen unterliegen, welches bereits durch Artikel 138 der Weimarer Reichsverfassung (heute in Verbindung mit Artikel 140 des Grundgesetzes) gewährt wird. Dies bringt über den Status der Tendenzbetriebe hinaus einige Besonderheiten im Arbeitsrecht für die Mitarbeiter mit sich, da sie zur kirchlichen Dienstgemeinschaft gezählt werden; selbst dann, wenn sie lediglich zuarbeitende Funkti­onen ohne direkten Verkündigungscharakter haben. Bei den EU-Richtlinien, die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf verbieten (2000/78/EG), haben Religionsgemeinschaften großzügige Ausnahmeregelungen erhalten. So wird statt AGG die Grundordnung des kirchlichen Dienstes ange­wandt. Diese Abweichungen von den sonst geltenden arbeitsrechtlichen Normen haben vielfältige Konsequenzen:

  • Weder die gewerkschaftliche Organisation noch das Streikrecht sind zulässig.
  • Tarifveränderungen werden von einer paritätisch besetzten Kommission (Arbeitsrechtliche Kommission) verhandelt.
  • Das Betriebsverfassungsgesetz gilt nicht; stattdessen gilt eine vom jeweiligen Ortsbischof erlassene MAVO (Mitarbeitervertretungsordnung) bzw. MVG (Mitarbeitervertretungsge­setz), die dem Personalvertretungsgesetz nachgebildet ist.
  • Es werden Anforderungen an die persönliche Lebensweise der Mitarbeiter gestellt, die im christlichen Sinne sein sollen. Offenkundige Abweichungen von diesen Vorstellungen können zur Kündigung durch den Dienstgeber führen (insb. Wiederverheiratung nach Scheidung, of­fenes Ausleben von Homosexualität).
  • Streitigkeiten über Geltung und Auslegung des jeweiligen Arbeitsvertrages werden vor den staatlichen Arbeitsgerichten ausgetragen. Kollektivrechtlicher Rechtsstreit (z. B. über die kirchliche Mitbestimmung) wird von eigenen kirchlichen Arbeitsgerichten entschieden; kollektivrechtlicher Regelungsstreit wird von kirchlichen Einigungsstellen geschlichtet.