Global denken, lokal handeln auch in Stuttgart! (19.10.2015)
Adressat
SPD Kreisvorstand
Beschluss
Die Folgen globaler Entwicklungen sind auch in Stuttgart zu spüren. Weltweite Krisen führen zu Kriegen und Nöten, die Menschen veranlasst, vom reichen Europa Hilfe zu erwarten. Durch das Auftreten dieser Menschen in unserem Land können wir diese Erwartungen nicht mehr übersehen.
Die SPD Stuttgart installiert eine Arbeitsgruppe, die sich mit folgenden Themen befasst und in parteiübergreifenden Bündnissen, die in diesem Sinne arbeiten, mitwirkt.
Menschen beginnen, sich falschen Ideologien zuzuwenden. Es ist notwendig, hier vor Ort Alternativen aufzuzeigen.
Europa ist das Handlungsfeld, welches Lösungen anbieten kann. Der verantwortungslose Umgang mit dem europäischen Zusammenwachsen und die daraus resultierende EU-Feindlichkeit, die sich breitmacht, muss entgegengetreten werden. Hier ist das durch Vertiefung von Partnerschaften und lokaler Zusammenarbeit möglich.
Die Unterbringung ankommender Flüchtlinge führt im Land zu Zwangslagen, die auch die Stadt Stuttgart zum Handeln zwingen. Kommunalpolitische Initiativen sind auszuarbeiten.
Die Anstrengungen zur Integration müssen verstärkt werden. Die Zahl von Kindern, die in wenigen Jahren nur noch Deutschland als ihre Heimat kennen und für die das Herkunftsland ihrer Eltern keine Perspektive mehr darstellt, wird größer werden. Unsere Gesellschaft muss diese Kinder mit Zustimmung der Eltern bereits heute für sich gewinnen.
Die Zwiespältigkeit amerikanischer Außenpolitik ist durch AFRICOM und EUCOM hier präsent. Die Einsätze amerikanischen Militärs in Afrika werden hier geplant und gesteuert.
Die Senkung der Schwelle zum Atomeinsatz wird von den Militärs durch den Einsatz von JDAM-Technologie bei luftgestützten Atombomben weiter gesenkt. Dadurch werden die Bomben zu preisgünstigen kurzreichenden GPS-gesteuerten autonomen Flugkörpern. Die Bereitstellung erfolgt auf amerikanischen Flughäfen im NATO-Gebiet, also auch in Deutschland.
=Begründung=
1. Krisen der Welt
Als Gorbatschow 1985 die globalen Probleme ausmachte und daraus ein gemeinsames Interesse an deren Lösung offenlegte, war die westliche Welt ob der darin liegenden Potentiale zur Beendigung des Ost-West-Konflikts begeistert.
Heute muss derselbe Gorbatschow feststellen, dass diese Begeisterung eben nur taktisch motiviert war und mit dem Ende des Sowjet-Systems zunehmend einer offen aus den eigenen wirtschaftlichen Interessen gespeisten Machtpolitik des Westens gewichen ist. Dass andere Weltmächte denselben Weg gehen, ist geradezu zwangsläufig, denn es ist das Privileg der Reichsten und Mächtigsten, den anderen ein Vorbild sein zu wollen.
Die damals definierte Problemlage hat sich inzwischen in handfesten Krisen manifestiert. Die damals institutionalisierten Lösungsprozesse sind allesamt stecken geblieben. Die zentrale Aufgabe, die UNO zu einem handlungsfähigen Instrument zu machen, ist keinen Schritt voran gekommen.
Die Glaubwürdigkeit globaler Lösungsprozesse ist massiv erschüttert. Viele Menschen suchen nach Möglichkeiten, ihr eigenes Schicksal von den fortschreitenden Krisenprozessen abzu-koppeln.
Auch wenn das weltweite Bevölkerungswachstum als die eigentliche Ursache dieser Probleme bezeichnet werden kann, haben sich diese längst verselbstständigt. Klimaveränderungen, 1985 noch als menschengemachtes Problem umstritten, bedrohen heute bereits die Existenzgrund-lagen von Millionen Menschen. Die Strategien dagegen beschränken auch auf Schadens-begrenzung, eine schadensfreie Lösung ist bereits jetzt nicht mehr möglich. Die Zerstörung der Umwelt schreitet weiter voran, um auch noch die letzten Ressourcen zu bergen. Konflikte um die knapper werdenden Ressourcen nehmen zu.
Beschleunigt wird dieser Prozess durch das Streben der Mächtigen dieser Erde, sich den Folgen auf Kosten der anderen zu entziehen. Die Vertiefung der Kluft zwischen Arm und Reich, die Zunahme von Kriegen, die wachsenden Wissensunterschiede sind das Ergebnis dieses Strebens und gleichzeitig der Katalysator in der weltweiten Krisenentwicklung.
Eine Folge dieser Entwicklung ist auch das Anwachsen der Flüchtlingsbewegungen, die zwangsläufig dort entstehen, wo die Lebensgrundlagen schwinden.
2. Kriege als größte Ressourcenvernichter müssen verhindert werden
Streit um Ressourcen ist die Hauptursache für die Kriege dieser Welt. Sie entstehen zunächst dort, wo die vorhandenen Ressourcen einem signifikanten Teil der Bevölkerung nicht zum Überleben reichen. Dabei nehmen die Konflikte, bei denen es nicht mehr für alle reicht, gegen-über denen, die aus ungleicher Verteilung resultieren, zu.
Verzweiflung als Motivation in diesen Konflikten führen zu einem Anwachsen religiösfundament-alistischer Ideologien, die eine Rückkehr der Menschen zu einem Vernunftbasierten Wirtschaf¬ten schwer macht, da breite Bildung diesen Ideologien den Boden entzieht. So werden auch diese Ideologien zu einem sich verselbstständigenden weltweiten Problem.
Oft werden solche Konflikte sich selbst überlassen, wenn weltweit agierende Interessen dort keinen Profit zu erkennen vermögen. Sie bleiben daher auch solange am Laufen, bis daraus eine Bedrohung für diese Interessen erwächst. Für eine einfache Rückkehr zum Frieden ist es dann längst zu spät. Äußere Eingriffe verfolgen dann das Ziel der Eindämmung und Interes-senswahrung, verbunden mit einer Parteinahme im Konflikt, die auch andere internationale Akteure auf den Plan ruft. Der Konflikt wird dann auf einem aufwendigeren Niveau weitergeführt und auf internationaler Ebene die Eindämmung realisiert. Er wird so zu einem Dauerproblem, das Ressourcen verschlingt, die weit über denen liegen, die zur Vermeidung am Beginn des Konflikts nötig gewesen wären. Gleichzeitig wurden von allen Beteiligten die wesentlichsten Werte, denen sie sich verpflichtet haben, verletzt und jegliche Glaubwürdigkeit bei den betroffenen Menschen vertan. Es entstehen neue Konfliktgründe und der Krieg wird zu einem perpetuum mobile.
Vorrangiges Ziel einer vorausschauenden Politik muss also die Vermeidung von Krieg sein.
3. Wörtlich genommener Konservativismus kann Kriege nicht vermeiden
Wer will, dass die die fortschreitende globale Krise am eigenen Gartentor halt macht, muss Schutzmaßnahmen ergreifen. Ob dieses möglich ist, hängt von der Größe des zu schützenden Gebiets und den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ab.
Dass solche Maßnahmen nicht von Dauer sind, ist angesichts der Krisenentwicklung offen-sichtlich. Eine zunehmende Erhöhung des Aufwands sowie eine wachsende Brutalität im Vorgehen ist dort, wo dieser Weg beschritten wird, unvermeidlich.
Damit ist konservativ motiviertes handeln im Ergebnis nicht konservativ, sondern konflikt¬vertie-fend und damit zum Scheitern verurteilt. Dass dann im „zu beschützenden“ Gebiet selbst konfliktsuchende, im Innern spaltende Ideologien um sich greifen, ist bereits heute zu beobachten.
Die Welt ist eben keine Flasche, aus der beim Ziehen von Korken böse Geister entweichen, sondern vielmehr ein Dampfkochtopf, dessen Notventile eines nach dem anderen platzen und aus dem dringend Druck abgelassen werden muss – auch wenn das keineswegs ungefährlich ist.
4. Ein sozial und demokratisch motivierter Politikansatz kann die Basis für eine Friedenspolitik sein
Noch ist die Welt in der Lage, für alle Menschen eine Perspektive zu bieten und Lebens¬grund-lagen bereit zu stellen – dies sagen verschiedene wissenschaftliche Studien. Die Dringlichkeit, mit der vielfältige Maßnahmen gefordert werden, nimmt jedoch ebenso zu wie die Dramatik der Folgen, die bereits heute nicht mehr zu vermeiden sind.
Klar ist, dass Kriegsursachen primär zu bekämpfen sind. Dies bedeutet zum einen, dass Lebensgrundlagen für alle bereitzustellen sind – dies ist der soziale Ansatz. Zum anderen sind Fähigkeiten und Ansichten der Menschen zu integrieren – dies ist der demokratische Ansatz. Dass dies alles ungemein kompliziert und fehlerträchtig ist, rechtfertigt nicht, es nicht zu versuchen. Dass hier ein erhebliches Maß an Sachkenntnis sowie politischen Fähigkeiten einfließen muss, erfordert Anstrengungen. Dass es ohne Empathie und Altruismus nicht geht, steht gegen den Trend.
Dass der Ansatz, etwas für die eigenen Interessen zu tun und ansonsten sich zurückzuhalten, hier verlorengeht, ist offensichtlich. Aber es ist verantwortungslos, dies nicht in Kauf zu nehmen. Da die Welt dadurch sicherer wird, ist es auf den zweiten Blick dann auch im eigenen Interesse.
Dass Walter Steinmeier inzwischen der beliebteste Politiker ist, zeigt, dass mit einer solchen Politik auch Zustimmung zu ernten ist – auch wenn die Erfolge sich, gemessen am Bedarf, noch sehr bescheiden ausnehmen.